Landgang der Wirbeltiere

375 Millio­nen Jahre
oder 92 Meter vor heute

Zeit­al­ter: Paläo­zoi­kum / Devon

Mehr­fa­che schnelle Verän­de­run­gen des Klimas und ein gerin­ge­rer Sauer­stoff­ge­halt im Wasser führen zum drit­ten großen Ausster­ben. Mit dazu bei trägt auch ein star­ker Anstieg des Vulka­nis­mus, der vermut­lich durch große Konti­nen­tal­ver­schie­bun­gen hervor­ge­ru­fen wird. Drei Vier­tel aller im Wasser leben­den Arten sind davon betrof­fen. Die Amphi­bien – Wirbel­tiere, die Luft atmen und an Land leben können – erschlie­ßen sich das Land als neuen Lebens­raum. Auch die ersten Quas­ten­flos­ser treten auf – es gibt sie bis heute.

Darge­stellt ist ein Tiktaa­lik roseae.

Flache warme Meere bede­cken Teile der Konti­nente. Das Klima ist zunächst warm, ähnlich wie heute in Europa. Später kühlen die Polar­ge­biete allmäh­lich ab. Beson­ders Südame­rika, das nahe am Südpol liegt, ist davon betroffen.

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Etwa 100 Mio. Jahre nach den Pflan­zen, im Oberen Devon vor mehr als 390 Mio. Jahren, began­nen auch die Wirbel­tiere, das Land als Lebens­raum zu erobern. Zuvor hatten bereits Würmer und Glie­der­füß­ler das Fest­land erobert. Über die Gründe oder Zwänge für diese Entwick­lung lässt sich nur speku­lie­ren. Aus evolu­tio­nä­rer Sicht ist klar, dass die Umbil­dung der Extre­mi­tä­ten zumin­dest so weit fort­ge­schrit­ten war, dass eine Fort­be­we­gung auf dem Land möglich war. Wahr­schein­lich hat die Entwick­lung dort statt­ge­fun­den, wo die aqua­ti­schen Lebens­räume der Tiere häufig trocken­fie­len und die Anpas­sung an eine zumin­dest teil­weise terres­tri­sche Lebens­weise Vorteile bot. Aber auch eine Erwei­te­rung oder Verän­de­rung der bevor­zug­ten Nahrung kann ein Selek­ti­ons­vor­teil für die Besied­lung des Fest­lan­des gewe­sen sein.

Von Flos­sen zu Extremitäten

Als Ausgangs­punkt dieser Entwick­lung wurde von Anfang an die Ordnung der Quas­ten­flos­ser (Cross­op­tery­gi­for­mes) gese­hen, deren heutige und fossile Vertre­ter vom anato­mi­schen Stand­punkt am ehes­ten für das Leben auf dem Trocke­nen geeig­net erschie­nen. Mitt­ler­weile haben jedoch mole­ku­lar­ge­ne­ti­sche Unter­su­chun­gen gezeigt, dass Amphi­bien, Repti­lien, Vögel und Säuge­tiere näher mit den heute noch vor bzw. in Afrika, Südame­rika und Austra­lien leben­den Lungen­fi­schen (Dipnoi) verwandt sind und der Land­gang der Wirbel­tiere deshalb mögli­cher­weise durch diese Unter­klasse der Fleisch­flos­ser erfolgte.

Austra­li­scher Lungen­fisch (Neoce­ra­to­dus fors­teri). (Urhe­ber: Vassil – Lizenz:gemeinfrei (CC0 1.0) https://www.fischlexikon.eu/fischlexikon/fische-suchen.php?fisch_id=0000001522#)

Ziem­lich gesi­chert ist, dass sich die Beine der zukünf­ti­gen Land­wir­bel­tiere bereits im Wasser entwi­ckelt haben. An einem gut erhal­te­nen Fossil eines Fleisch­flos­sers (Elpisto­stege) ist erkenn­bar, dass die Flos­sen bereits zu den Extre­mi­tä­ten der späte­ren Land­wir­bel­tiere umge­bil­det wurden, obwohl es sich bei diesem Tier noch eindeu­tig um einen Fisch handelt. Trotz­dem ähnelt das Skelett schon stark frühen Land­wir­bel­tie­ren wie Icht­h­y­o­stega oder Acan­tho­stega, auch wegen der fehlen­den unpaa­ri­gen Rücken- und After­flosse, die sonst typisch für Fische ist. Sie unter­schei­den sich jedoch im Knochen­auf­bau und in der Embryo­nal­ent­wick­lung, so dass ein evolu­tio­nä­rer Über­gang aus den Einzel­ele­men­ten schwer erklär­bar ist. So blei­ben bis heute Fragen bei den kompli­zier­ten phäno­ty­pi­schen Umbau­ten der Fisch­flos­sen­ske­lett­teile zu Elemen­ten von Hand bzw. Fuß offen.

Icht­h­y­o­stega, das vermut­lich erste Land­wir­bel­tier: Schä­del­re­kon­struk­tion anhand von Fossil­fun­den (links) und Modell (rechts). Von den Extre­mi­tä­ten sind ledig­lich die hinte­ren fossil über­lie­fert; sie sind paddel­för­mig gebaut. (Quelle: Schä­del: Funk­Monk, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ichthyostega_skull.jpg; Modell: Dr. Günter Bechly,  https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ichthyostega_model.jpg)

Zu den Elpisto­ste­ga­lia gehört auch der auf dem Schild gezeigte Tiktaa­lik. Auch dessen Schä­del­kno­chen weisen darauf hin, dass es sich hier um eine Mosa­ik­form zwischen Fisch und frühem Land­wir­bel­tier handelt. Während Flos­sen­strah­len, Unter­kie­fer und Gaumen noch eindeu­tig denen von Fischen entspre­chen, verfü­gen die Flos­sen­stiele bereits über Ellen­bo­gen und Hand­ge­lenk. Auch der Becken­gür­tel weist ebenso wie der Schä­del bereits mehrere Merk­male auf, die später für die land­le­ben­den Wirbel­tiere typisch werden. Im Gegen­satz zu den echten Fischen weist der Schä­del von Tiktaa­lik je ein paari­ges Stirn- und Schei­tel­bein auf.

Fossil von Tiktaa­lik roseae im König­lich-Belgi­schen Insti­tut für Natur­wis­sen­schaf­ten. (Quelle: Esv – Eduard Solà und Petter Bøck­man https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tiktaalik_belgium_II.jpg)

Voraus­set­zun­gen für das Leben an Land

Als erstes ausschließ­lich auf dem Land leben­des Tier wird Icht­h­y­o­stega genannt, zumin­dest ist es das erste land­le­bende Tier, von dem wir Fossil­funde haben. Aller­dings weist Icht­h­y­o­stega unge­wöhn­lich viele Merk­male auf, die weder bei den Fischen, noch bei den nach­fol­gen­den Land­tie­ren zu finden sind, sodass ange­nom­men werden darf, dass künf­tige Fossil­funde den Land­gang der Wirbel­tiere besser beschrei­ben können. 

Die Fähig­keit, Luft­sauer­stoff zu atmen, findet sich bereits bei den frühen Lungen­fi­schen, der Umbau der äuße­ren Haut­schich­ten erfolgte erst nach dem Landgang.

Fortbewegung

Inter­es­san­ter­weise schwim­men Quas­ten­flos­ser in einer Art „Kreuz­gang“, ohne je an Land gelebt zu haben. Das bedeu­tet, rech­tes Vorder­bein und linkes Hinter­bein, bzw. linkes Vorder­bein und rech­tes Hinter­bein, werden mehr oder weni­ger gleich­zei­tig bewegt, bzw. vom Boden abge­ho­ben und wieder aufge­setzt. Diese Fort­be­we­gungs­art ist auch bei Repti­lien wie den Kroko­di­len zu beob­ach­ten und weist darauf hin, dass die Fort­be­we­gung an Land von den Tieren nicht erst erlernt werden musste.

Anpassung der Fortpflanzung

Während die Amphi­bien zur Fort­pflan­zung noch auf Wasser ange­wie­sen sind, in dem sie ihre Eier able­gen und die Tiere zumin­dest ihr Jugend­sta­dium verbrin­gen, muss­ten land­le­bende Wirbel­tiere einen alter­na­ti­ven Mecha­nis­mus für die Fort­pflan­zung entwi­ckeln. Sich komplett außer­halb des Wassers fort­pflan­zen zu können, hatte für frühe Land­wir­bel­tiere das Poten­zial, neue Lebens­räume erschlie­ßen und so der Konkur­renz ande­rer Arten auswei­chen zu können. Mit Entwick­lung des Amnio­ten-Eies, wie es heute bei Repti­lien, Vögeln und Kloa­ken­tie­ren vorkommt, konnte dieses Poten­zial genutzt werden. Die Land­wir­bel­tiere waren nunmehr in der Lage, sich auch in sehr trockene Regio­nen auszu­brei­ten und die Konti­nente flächen­de­ckend zu besiedeln.

Kloa­ken­tiere (Mono­tre­mata) sind Säuge­tiere, die noch keinen leben­den Nach­wuchs zur Welt brin­gen, sondern noch Eier legen. Heute noch lebende Beispiele dieser Ursäu­ger sind Amei­sen­igel und Schna­bel­tiere. Beide Grup­pen kommen heute noch in Austra­lien und Neugui­nea vor und sind stark bedroht.

Amei­sen­igel (Kurz­schna­bel­igel) und Schna­bel­tier als Beispiele für heute noch lebende Kloa­ken­tiere (Ursäu­ger). (Quel­len: Amei­sen­igel:  fir0002 | flagstaffotos.com.au, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Wild_shortbeak_echidna.jpg, Lizenz CC BY-NC; Schna­bel­tier: Stefan Kraft, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Platypus.jpg)

Das Amnioten-Ei: Entwicklung im Wasser – auch auf dem Trockenen

Im Amnio­ten-Ei wächst der Embryo in einer von Flüs­sig­keit (Frucht­was­ser) gefüll­ten Höhle (Amni­onhöhle, Frucht­blase) heran. Diese ist völlig von einer Haut, dem Amnion, umschlos­sen und i.d.R. noch von weite­ren Membra­nen bzw. Scha­len umhüllt. Im Gegen­satz zu den Amphi­bien, deren Entwick­lung noch ein wasser­le­ben­des Larven­sta­dium umfasst, reifen die Amnio­ten komplett in diesem Ei heran.

Amnio­ten-Ei: Bau am Beispiel eines unbe­brü­te­ten Hühner­eies (links), und in einem Ei heran­wach­sen­der Embryo (rechts).

Mit seinem Wasser­re­ser­voir, dem Nähr­stoff­vor­rat und der schüt­zen­den Hülle fungiert das Ei als auto­nome Über­le­bens­kap­sel für den Embryo, dadurch wird ein Fötus­sta­dium über­haupt erst möglich. Das Frucht­was­ser schützt den Embryo unter ande­rem vor Austrock­nung. Dotter­sack und Allan­tois sind mit intra­em­bryo­na­len Räumen verbun­den. Über den Dotter­sack werden dem Fötus Nähr­stoffe zuge­führt, die Allan­tois nimmt stick­stoff­hal­tige Stoff­wech­sel­pro­dukte des Embryos, also quasi den feta­len Harn, auf und wirkt beim Gasaus­tausch mit.

Schutz gegen Austrocknung

Ähnlich wie schon früher die Pflan­zen bei ihrem Land­gang haben auch die Wirbel­tiere einen Schutz ihrer Außen­haut gegen Austrock­nung entwi­ckelt. Sie besteht meis­tens aus Faser­pro­te­inen (Kera­tin), auch Horn genannt. Diese Eiweiße sind wasser­un­lös­lich und schwer abbau­bar, weshalb sie sowohl als Verduns­tungs­sperre, aber auch als mecha­ni­scher Schutz gegen Verlet­zun­gen dienen.

Entwick­lung der Wirbel­tiere auf dem Land

An der Basis der Entwick­lung zu Land­wir­bel­tie­ren stan­den die Seymou­ria. Hier­bei handelt es sich um eine Mosa­ik­form, die Merk­male von Amphi­bien und Repti­lien verei­nigt und die sich im frühen Perm entwi­ckel­ten. Zu den Repti­li­en­merk­ma­len rech­net man vor allem das Skelett. Die Ursprüng­lich­keit des Schä­dels wird durch die Tatsa­che unter­stri­chen, dass noch keine Schlä­fen­fens­ter vorhan­den waren. Die fehlen­den Schlä­fen­fens­ter sind ein Charak­te­ris­tika für die Gruppe der Anap­si­den, die auch als Schläfengruben­lose bezeich­net werden.

Aus einer Schwes­ter­gruppe der Seymuo­ria­mor­pha, den Diadec­to­mor­pha, entwi­ckelte sich bereits früh die Linie der Chelo­nia, die heute nur noch durch die Suppen­schild­kröte (Chelo­nia mydas), vertre­ten ist. Eine weitere frühe Abspal­tung ergab sich durch die Entwick­lung der oben beschrie­be­nen Icht­h­y­o­sau­rier und der Plesi­o­sau­rier. Beide Linien haben sich aus den Stamm­rep­ti­lien entwickelt.

Im Zeit­al­ter der Trias begann die Ausbrei­tung der ersten Repti­lien mit zwei Schlä­fen­fens­tern (Diap­side), die sich aus den Eosuchi­ern entwi­ckel­ten. Von den Eosuchi­ern lassen sich die Archo­sau­rier und Lepi­do­sau­rier sowie die Avice­phala ablei­ten. Aus den Eosuchi­ern entwi­ckel­ten sich bereits im Perm auch schild­krö­ten­ähn­li­che Repti­lien, die ihre äuße­ren Merk­male bis heute bewahrt haben.

Aus den urtüm­li­chen Lepi­do­sau­ria entstan­den die Schup­pen­kriech­tiere, insbe­son­dere die Echsen und die Schlan­gen. Sowohl Echsen als auch Schlan­gen zeich­nen sich durch einen diap­si­den Schä­del­ty­pus aus, der durch die Reduk­tion des Joch­bo­gens eine weit­ge­hende Abwand­lung erfah­ren hat. Eine weitere Gruppe, die Thec­odon­tier, entwi­ckelte sich vom Ende des Perm bis ins Trias. Die Thec­odon­tier und davon abge­lei­tete Formen werden heute als Archo­sau­rier zusam­men­ge­fasst. Im späte­ren Verlauf der Entwick­lung, vom Jura bis zur Kreide, entwi­ckel­ten sich aus den Thec­odon­ti­ern auch die allen bekann­ten Dino­sau­rier sowie die Ptero­sau­rier. Eine weitere Linie führt zu den Vögeln. Die Entwick­lung der Vögel begann aber wahr­schein­lich erst im Jura. [KHB]

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